Abgrenzung zwischen bösgläubiger Wiederholungsmarke und zulässiger Neuanmeldung
In seinem Beschluss vom 29.06.2022 (29 W (pat) 66/20) hat das BPatG Stellung zu der umstrittenen, bis dato nicht höchstrichterlich geklärten Frage bezogen, wie eine Wiederholungsmarke rechtlich zu bewerten ist.
Markeninhaber nutzen manchmal eine Strategie der Neuanmeldung, um ihre Marke vor Angriffen zu schützen, die aufgrund mangelnder Benutzung entstehen könnten. Normalerweise müssen Markeninhaber umfangreiche Beweise für die rechtserhaltende Nutzung ihrer Marke erbringen, wenn diese angezweifelt wird. Um dies zu umgehen, registrieren einige Markeninhaber alle vier bis fünf Jahre eine neue Marke, die mit der vorherigen ähnlich wenn nicht identisch ist. Dieser Ansatz zielt darauf ab, die Frist, in der die Markennutzung unbestritten bleibt, künstlich zu verlängern. In seltenen Fällen kann dieses Vorgehen als bösgläubig angesehen werden, was zur Löschung der Marke führen kann. Im vorliegenden Fall wurde jedoch entschieden, dass die wiederholte Markenanmeldung nicht bösgläubig war.
Zugrunde lag folgender Sachverhalt:
Die Antrags- und Beschwerdegegnerin ist Inhaberin der Unionsmarke „HANDTE“ sowie der gleichlautenden deutschen Marke. Am 07.02.2019 hatte die Antrags- und Beschwerdeführerin einen Nichtigkeitsantrag beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) gegen die deutsche Wortmarke „HANDTE“ gem. §50 I MarkenG iVm. §8 II Nr. 14 MarkenG gestellt.
Dem Antrag war ein Verfahren zwischen den Parteien vorausgegangen, in dem die Beschwerdegegnerin die Verletzung ihrer Unionsmarke „HANDTE“ durch die Beschwerdeführerin geltend gemacht hatte. Bereits im Zuge dieses Verfahrens wurde über die rechtserhaltende Benutzung der Unionsmarke gestritten. Im laufenden Verfahren vor dem DPMA führte die Beschwerdegegnerin die im Wege des beschleunigten Anmeldeverfahrens eingetragene deutsche Wortmarke „HANDTE“ in das dortige Verfahren ein und machte sie zum alleinigen Hauptstreitgegenstand. Darin sah die Beschwerdeführerin eine unzulässige Wiederholungsmarke zur Umgehung der Benutzungsschonfrist der bereits verfallenen Unionsmarke. Das DPMA wertete die deutsche Wortmarke hingegen nicht als bösgläubige Wiederholungsmarke und wies den Nichtigkeitsantrag zurück. Dagegen richtete sich die Beschwerdeführerin erfolglos mit ihrer Beschwerde beim BPatG.
Voraussetzungen einer Wiederholungsmarke
Grundsätzlich steht es einem Markeninhaber frei, eine bereits eingetragene Marke erneut anzumelden. Problematisch in Hinblick auf die Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung gem. §8 II Nr. 14 MarkenG ist allerdings, wenn eine unbenutzte Marke regelmäßig für die gleichen Waren und Dienstleistungen lediglich mit dem Ziel neu angemeldet wird, die Benutzungsschonfrist erneut in Gang zu setzen und damit den Benutzungszwang – geregelt in den §25 ff. MarkenG – zu umgehen.
Was ist eine Benutzungsschonfrist?
Deutsche Marken müssen erst fünf Jahre nach Ablauf der Widerspruchsfrist verwendet werden (sog. „Benutzungszwang“), vgl. §26 V MarkenG. Dadurch soll dem Markeninhaber ermöglicht werden, alle betriebsinternen Vorkehrungen zu treffen, die für Produktions- und Betriebsbeginn nötig sind.
Grundsätzlich handelt es sich beim „Benutzungszwang“ zwar streng genommen nicht um eine Verpflichtung. Der Markeninhaber läuft allerdings Gefahr, seine unbenutzte Marke nach Ablauf der 5-jährigen Benutzungsschonfrist nicht durchsetzen zu können. Zudem besteht die Gefahr, dass die Marke aufgrund eines Antrags Dritter auf Löschung wegen Nichtbenutzung gelöscht wird.
Wann muss der Markeninhaber einen Benutzungsnachweis erbringen?
Der Markeninhaber muss nach Ablauf der Benutzungsschonfrist einen Benutzungsnachweis nicht per se aktiv erbringen. Sofern Dritte allerdings einen Antrag auf Löschung der Marke wegen Nichtbenutzung stellen oder im Konfliktfall die rechtserhaltende Benutzung der Marke bestreitet, muss die Nutzung der Marke nachgewiesen werden.
Dies kann im Einzelfall sehr aufwändig werden. Nicht wenige Markeninhaber haben deswegen schon Markenkonflikte oder gar ihre Marke verloren.
Zwar sind die Kriterien einer unzulässigen Wiederholungsmarke weder auf deutscher noch auf europäischer Ebene normiert. Basierend auf Literatur und Rechtsprechung lassen sich jedoch einige Merkmale einheitlich zugrunde legen. Neben der Identität der jüngeren mit der älteren Marke sowie Identität der beanspruchten Waren und Dienstleistungen werden auch Verfallsreife der älteren Marke, die Anmeldung der jüngeren Marke vor Ablauf der Benutzungsschonfrist der älteren Marke und die Identität des territorialen Schutzbereichs gefordert.
Dem BPatG zufolge lag im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen bereits keine unzulässige Wiederholungsmarke vor:
Zum einen stimme der territoriale Schutzbereich der Unionsmarke nicht mit dem der deutschen Marke überein. Die Beschwerdeführerin übersehe, dass eine Unionsmarke nicht nur in Deutschland, sondern durchaus auch nur in anderen Unionsländern rechtserhaltend genutzt werden könne. Insofern überschneide sich der Schutzbereich von zwar territorial, sei aber keinesfalls deckungsgleich.
Zum anderen erfolgte die nationale Markenanmeldung nicht vor, sondern erst vier Monate nach Ablauf der Benutzungsschonfrist der Unionsmarke. Das BPatG hat offengelassen, ob generell eine Sperrfrist zwischen Ende der Benutzungsschonfrist und Neuanmeldung einzuhalten ist. Die Zeitspanne von vier Monaten hat es aber jedenfalls als ausreichend angesehen, damit Dritte Zwischenrechte erwerben konnten, weshalb von einer Umgehung der Benutzungsschonfrist nicht auszugehen ist.
Auch der Rechtsgedanke des Art. 139 II lit. a UMV, wonach die Umwandlung einer wegen Nichtbenutzung verfallenen Unionsmarke in eine nationale Marke nicht in Betracht kommt, kann aufgrund des Normzwecks nicht auf den Fall einer nationalen Neueintragung übertragen werden. Hinzu kommt, dass die Voraussetzungen des Art. 139 II lit. a UMV ohnehin nicht erfüllt sind. Die Unionsmarke der Beschwerdegegnerin wurde vor Anmeldung der deutschen Marke rechtserhaltend in Deutschland genutzt, ist also nicht wegen Nichtbenutzung verfallen.
Erfordernis weiterer Unlauterkeitskriterien
Letztlich kann es dahingestellt bleiben, ob die nationale Neuanmeldung als Wiederholungsmarke angemeldet wurde, da allein das Vorliegen einer Wiederholungsmarke die Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung gem. §8 II Nr. 14 MarkenG nicht zu begründen vermag, so das BPatG.
Wann ist eine Markenanmeldung bösgläubig iSd. §8 II Nr. 14 MarkenG?
Von einer bösgläubigen Markenanmeldung ist auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig und deshalb unlauter erfolgt. Die Rechtsprechung von BPatG und BGH hat dazu einige – nicht abschließende – Fallgruppen herausgearbeitet, die eine Orientierungshilfe zur Bestimmung der Bösgläubigkeit an die Hand geben.
Bösgläubig ist demnach unter Anderem der wissentliche Eingriff in einen schutzwürdigen fremden Besitzstand, die Markenanmeldung als zweckfremdes Mittel des Wettbewerbskampfes und der fehlende Benutzungswille des Anmeldenden.
Weitere Unlauterkeitsmerkmale, die eine bösgläubige Anmeldung begründen könnten, ließen sich bei der Beschwerdegegnerin dem BPatG zufolge jedoch ebenfalls nicht feststellen.
Anhaltspunkte für einen schützenswerten Besitzstand konnte die Beschwerdeführerin mangels Marktstärke bzw. Bekanntheit des benutzten Kennzeichens nicht substantiiert darlegen; Von fehlendem Benutzungswillen der Beschwerdegegnerin sei ebenso wenig auszugehen. Da die Beschwerdegegnerin die Benutzung der Unionsmarke nie aufgegeben hatte, fehle ihr bereits das Motiv, die nationale Marke nur zur Umgehung des Benutzungszwangs der Unionsmarke und deshalb ohne eigenständigen Benutzungswillen angemeldet zu haben.
Auch der Einwand des beabsichtigten zweckfremden Einsatzes der Sperrwirkung der Marke als Mittel des Wettbewerbskampfes konnte das BPatG nicht überzeugen.
Aus der Einführung der späteren nationalen Markenanmeldung in das laufende Markenverletzungsverfahren kann – sofern grundsätzlich ein Benutzungswille der nationalen Marke besteht – nicht automatisch auf Behinderungsabsicht geschlossen werden. Es stehe der Beschwerdegegnerin frei, sich im Verfahren nicht auf die zuvor benutzte Unionsmarke, sondern eine neu angemeldete nationale Marke zu stützen. Hauptziel flankierender Markenanmeldungen sei primär die legitime, marktstrategische Stärkung des eigenen Wettbewerbs, nicht die böswillige Behinderung der Mitbewerber.
Fazit
Bemerkenswert in Hinblick auf die gerichtliche Praxis ist Folgendes: Der Umstand, dass eine neu angemeldete Marke in den ersten 5 Jahren noch der Benutzungsschonfrist unterliegt, macht die Einreichung sowie umfangreiche Prüfung von Benutzungsunterlagen entbehrlich. Das Verfahren vereinfacht sich für den Markeninhaber deutlich, wenn die Benutzung seiner Marke nicht bestritten werden kann.
Dies lässt natürlich das Verbot, eine Markenanmeldung nur zur Umgehung des Benutzungsnachweises vorzunehmen, nach wie vor unberührt. Um im Streitfall die Markenbenutzung umfassend darlegen zu können, sollten Markeninhaber deshalb regelmäßig aktiv die Benutzung ihrer Marke für alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen (Klassenverzeichnis!) dokumentieren.
Wir helfen Ihnen gerne mit unserer Expertise. Im Rahmen einer Beauftragung prüfen wir stets die Frage der Schutzfähigkeit Ihrer Wunschmarke, damit es nicht zu einer Zurückweisung kommt. Auch besprechen wir gerne mit Ihnen die Nutzungslage und wie man Ihre Marke gegebenenfalls für die Zukunft zusätzlich stärken kann. Falls Sie Fragen rund um das Thema Markenschutz und Markenanmeldung haben, können Sie sehr gerne jederzeit Kontakt mit uns aufnehmen. Wir freuen uns auf Sie!